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Reform der Erbschaftssteuer 2009

Nicht mehr ganz taufrisch, aber nach wie vor aktuell und alle Mal lesenswert: Was gab es neues im Rahmen der Erbschaftsteuerreform 2009? Wie verhält es sich mir Freibeträgen? Und welche Werte werden für Immobilien in Ansatz gebracht?

Zuerst die gute Nachricht: Die Reform führt punktuell zu Entlastungen. Insbesondere bei der Übertragung von größeren Vermögen ist jedoch gegenüber dem bisherigen Recht mit einer erheblich höheren steuerlichen Belastung zu rechnen. Rechtzeitig vor einer Übertragung größerer Vermögen sollte deshalb die zu erwartende Steuerbelastung nach neuem Recht ermittelt werden, um die Steuer durch geeignete Gestaltungsmaßnahmen vermindern zu können.

Eines der grundlegenden Prinzipien der Reform ist die einheitliche Bewertung aller Vermögensgegenstände im Übertragungsfall mit dem Verkehrswert, welche vom Bundesverfassungsgericht gefordert wurde und Grundlage der jetzigen Reform ist.

Der Wert des Erbes

Der Verkehrswert entspricht dem Preis, zu dem der Vermögensgegenstand unter üblichen Bedingungen an einen externen Dritten veräußert werden könnte, also dem am Markt erzielbaren und daher „objektiven" Preis.

Die bisherigen Bewertungsvorschriften, die für bestimmte Arten von Vermögensgegenständen in der Regel zu Steuerwerten unterhalb des Verkehrswerts führten, werden durch die Reform aufgehoben. Die neuen Bewertungsregeln dürften kaum zu einer Vereinfachung des Bewertungsverfahrens führen. Im Einzelfall sind die neuen Vorschriften komplex und recht unbestimmt; sie werden deshalb Anlass zu Diskussionen mit den Finanzämtern geben. Es ist abzusehen, dass die meisten Immobilien im Übertragungsfall für Zwecke der Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer künftig mit einem deutlich höheren Steuerwert angesetzt werden als in der Vergangenheit.

Diese Vermögensklassen genossen nach bisherigem Recht Bewertungsvorteile, die nun durch die einheitliche Orientierung am Verkehrswert entfallen sollen. Die höhere Bewertung der übertragenen Vermögensgegenstände wirkt sich tendenziell steuererhöhend aus.

Pflanzen

Bewertung von unbebauten Grundstücken

Der Steuerwert unbebauter Grundstücke wird mit Hilfe der aktuellen Bodenrichtwerte bestimmt, die die kommunalen Gutachterausschüsse feststellen. Hier soll auf den aktuellen Bodenrichtwert abgestellt werden. Bodenrichtwerte stellen den durchschnittlichen Preis pro m² für eine bestimmte Zone dar. Bei Abweichungen vom Durchschnitt (Größe, Lage, Ausrichtung, Zuschnitt, Immissionen usw.) muss eine sachverständige Anpassung vorgenommen werden. Auch die Qualität der Daten ist kritisch zu prüfen. Bodenrichtwerte werden aus tatsächlichen Verkäufen von unbebauten Grundstücken abgeleitet. Wenn nun, aufgrund von geringer Nachfrage oder geschlossener Bauweise (keine Verkäufe, da alle Grundstücke bebaut), keine Kaufpreise vorliegen, müssen die Gutachterausschüsse die Werte fortschreiben, ohne statistische Nachweise dafür zu haben. Dies kann im Laufe der Zeit (zu positiven) Fehleinschätzungen führen (z. B. Berlin-Grunewald oder Stadtmitte).

Bewertung von Einfamilienhäusern und Eigentumswohnungen

Für Ein- und Zweifamilienhäuser, Eigentumswohnungen und Teileigentum soll der Wert grundsätzlich aus den Kaufpreisen vergleichbarer Grundstücke in ähnlicher Lage abgeleitet werden. Kaufpreise für Vergleichsobjekte wird häufig der örtliche Gutachterausschuss angeben können. Diese Herangehensweise ist für die Finanzverwaltung Neuland. Bei Ein- und Zweifamilienhäusern soll der Verkehrswert im Vergleichswertverfahren ermittelt werden. Dazu müssen die Gutachterausschüsse Kaufverträge in statistisch ausreichender Anzahl auswerten. Es wird gefordert, dass die Vergleichswerte „hinsichtlich der ihren Wert beeinflussenden Merkmale mit dem zu bewertenden Grundstück hinreichend übereinstimmen". Hier liegt wieder die Problematik: wenn die Gutachterausschüsse Vergleichspreise ermittelt haben, sind diese mittels Zu- und Abschlägen (für die Lage, Zustand und anderer Eigenschaften) auf das Bewertungsobjekt anzupassen. Dies erfordert ein hohes Maß an Sachverstand und Marktkenntnis. Im Moment sind die Gutachterausschüsse nicht in der Lage, hinreichend genaue Vergleichsfaktoren anzugeben. Wie diese in die Lage versetzt werden sollen, ist im Gesetz nicht ausgeführt. Hier muss mit sehr groben Faktoren und langen Bearbeitungszeiten gerechnet werden.

Hausnummer

Bewertung von Mietwohn- und Geschäftsgrundstücken

Mietwohn- und Geschäftsgrundstücke sollen nach dem Ertragswertverfahren bewertet werden, da der Wert dieser Objekte typischerweise von den erzielbaren Erträgen abhängt. Der Ertragswert setzt sich aus dem Bodenwert und dem Gebäudeertragswert zusammen. Eine Bewertung ohne Hilfe eines Gutachters wird dem Steuerpflichtigen kaum möglich sein. Mehrfamilienhäuser und Wohn- und Geschäftshäuser sollen im Ertragswertverfahren bewertet werden. Hier ist die anzusetzende Restnutzungsdauer, neben dem Rohertrag, einer der wertbeeinflussenden Punkte. Besonders bei Sanierungen und Modernisierungen, die die Restnutzungsdauer verlängern oder bei Veränderungen, die eine Verkürzung der Restnutzungsdauer mit sich bringen, können Schwierigkeiten auftreten. Um die Restnutzungsdauer richtig bemessen zu können, muss der Einfluss des tatsächlichen baulichen Zustandes und der Umfang der getätigten oder zu tätigenden Sanierungen und Modernisierungen sachgerecht eingeschätzt werden können.

Soweit Vergleichspreise nicht verfügbar sind und ein Ertragswert nicht bestimmt werden kann, soll der Steuerwert in einem Sachwertverfahren als Summe des Bodenwerts und des Sachwerts des Gebäudes ermittelt werden. Auch diese Methode werden weder der Steuerpflichtige noch das Finanzamt ohne sachkundige Unterstützung kaum anwenden können.

Eine wirtschaftlich wesentlich weniger bedeutsame Verschonungsregel ist für vermietete Immobilien vorgesehen. Das Gesetz ordnet einen Bewertungsabschlag von 10 % an.

Entlastung für das selbstgenutzte Eigenheim

Familie

Kurz vor Verabschiedung der Reform hat die Regierungskoalition sich auf eine Entlastung für die Übertragung selbst genutzter Wohnimmobilien geeinigt.

Im Erbfall bleibt die Übertragung einer zu eigenen Wohnzwecken genutzten Immobilie an Ehegatten, eingetragene Lebenspartner und Kinder steuerfrei. Kinder können diese Vergünstigung allerdings nur dann beanspruchen, wenn die Wohnfläche 200 qm nicht überschreitet.

Die Steuerbefreiung entfällt rückwirkend, wenn die Immobilie innerhalb eine Behaltefrist von zehn Jahren nicht mehr von dem begünstigten Personenkreis zu Wohnzwecken genutzt wird. Sollten für den Auszug allerdings „zwingende Gründe" vorliegen, wird eine Ausnahme von der Nachversteuerung gemacht. Dies gilt, etwa, wenn der Erbe pflegebedürftig wird oder selbst verstirbt. Ein Umzug für eine neue Arbeitsstätte ist jedoch kein zwingender Grund.

Da niemand mit absoluter Sicherheit aussagen kann, dass er in den nächsten 10 Jahren nicht doch an einen anderen Ort ziehen will oder muss, ist insbesondere dann zu einem Gutachten (schon allein zu Zwecken der Beweissicherung) zu raten, wenn das Gebäude verändert, zum Beispiel nach dem Erbfall modernisiert werden soll.

Steuerfreibeträge

Die Steuerfreibeträge werden deutlich erhöht. Dies wird in vielen Fällen der Übertragung kleinerer Vermögen zu einer Entlastung führen. Die folgende Übersicht zeigt wichtige Freibeträge des neuen und des alten Rechts im Vergleich.

 



Neues Recht

Altes Recht

Ehegatten

500.000 €

307.000 €

Eingetragene Lebenspartner

500.000 €

5.200 €

Kinder

400.000 €

205.000 €

Enkel

200.000 €

51.200 €

Geschwister

20.000 €

10.300 €

Nichten, Neffen

20.000 €

10.300 €

Beispiel: Sie haben ein Haus und ein Wertpapierdepot zu vererben. Ihr Kind kann das Haus, in das es nicht einziehen will, im Wert von 400.000 Euro steuerfrei erhalten. Der Freibetrag ist ausgeschöpft. Ihr Partner hat da noch mehr Spielraum. Er kann zusätzlich noch Ihr Wertpapierdepot im Wert von 100.000 Euro steuerfrei erben. Alles, was über die Freibeträge hinausgeht, muss versteuert werden.

Entferntere Verwandte und sonstige Erben, wie Freunde oder der nichteheliche Lebenspartner, müssen jetzt dagegen tiefer in die Tasche greifen, wenn Sie über den Freibetrag hinaus erben. Gerade Nichten, Neffen und Geschwister trifft es hart. Zwar werden auch hier die Freibeträge auf 20.000 Euro angehoben. Gleichzeitig erhöhen sich aber auch die Steuersätze: z. B. erhalten eingetragene Lebenspartner den hohen Freibetrag von 500.000 Euro, werden aber mit der ungünstigen Steuerklasse III veranlagt.

Teuer wird es bei der vererbten Immobilie: Hat das Haus einen Verkehrswert von 400.000 Euro, musste die entfernt verwandte Personengruppe früher, auch wegen des zugrunde gelegten Einheitswertes, nur beispielsweise 40.000 Euro Steuern zahlen. Jetzt sind es fast 120.000 Euro, also drei Mal so viel.

Kommen auf den Erben Steuern zu, sollten Sie über eine Schenkung nachdenken. Dadurch können Sie alle zehn Jahre die Freibeträge von neuem voll ausschöpfen. Der Freibetrag bei einer Schenkung ist grundsätzlich genau so hoch wie im Erbfall.

Schenkung Immobilie

Möglich ist daneben auch eine „Kettenschenkung". Sie übertragen zum Beispiel 400.000 Euro steuerfrei auf ihr Kind, die anderen 100.000 Euro steuerfrei auf ihren Ehepartner. Der kann den Betrag dann ebenfalls steuerfrei an das Kind weitergeben.

Interessante Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet nach wie vor der Nießbrauch. Schon nach bisherigem Recht war der Nießbrauch attraktiv. Zwar konnte bei der Ermittlung des Steuerwerts des übertragenen Vermögens eine Belastung durch ein Nießbrauchsrecht des Schenkers nicht wertmindernd in Abzug werden, doch wurde die anteilige Steuer, die rechnerisch auf den Kapitalwert des Nießbrauchs entfiel, zinslos gestundet. Das steuerliche Ergebnis ließ sich noch verbessern durch eine freiwillige vorzeitige Ablösung der gestundeten Steuer, die durch eine Abzinsung honoriert wurde. Nunmehr wird der Nießbrauchswert schon bei der Berechnung des Steuerwerts des übertragenen Vermögens abgezogen. Dies wirkt sich für den Steuerpflichtigen noch vorteilhafter aus als die bisherige zinslose Stundung. Es bietet sich deshalb an, künftig – insbesondere bei der Übertragung von Immobilien und Unternehmensbeteiligungen – das Instrument des Nießbrauchs verstärkt zu nutzen.

Letzte Änderung am Sonntag, 16 November 2014 09:36
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Mirko Otto

Mirko Otto ist Diplom-Wirtschaftsingenieur und nach ISO/IEC 17024 zertifizierter Immobiliensachverständiger. Als Gründer der Sachverständigensozietät "Otto und Kollegen" ist der Vater von drei Kindern selbst Immobilieninvestor und seit 1997 mit der Bewertung von Immobilien jeder Art bestens vertraut.

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